Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinen Urteilen vom 12. Juni 2024 (Az. B 12 BA 2/22 R, Az. B 12 8/22 R und Az. B 12 BA 5/23 R) einige wesentliche Kriterien hervorgehoben, die bei der Beurteilung der Frage, ob ein Arzt, der nebenberuflich in einer Flüchtlingsunterkunft, Erstaufnahmeeinrichtung oder auch bei einer Kapitalgesellschaft arbeitet, abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig ist.
Ob ein Vertragsarzt durch eine Nebentätigkeit ‒ sei es im Rahmen eines sozialen Engagements ‒ möglicherweise sozialversicherungspflichtig wird (was in den allermeisten Fällen aufgrund der zusätzlichen Sozialversicherungs-Abgaben weder arztseitig noch von der Arbeitgeberseite her angestrebt werden dürfte), hängt im Einzelfall davon ab, ob grob gefasst
- eine Eingliederung in den betrieblichen Arbeitsablauf gegeben ist,
- eine Weisungsgebundenheit vorliegt und
- ein unternehmerisches Risiko gegeben ist.
Um bei diesen Kriterien jeweils zu einer Bewertung zu gelangen, hat die BSG-Rechtsprechung bereits eine Reihe von Indizien formuliert. Anzeichen für eine Selbstständigkeit sind demnach, wenn (keine abschließende Aufzählung)
- es einen Unternehmensauftritt gibt,
- eine eigene Website, Telefon und E-Mail sowie Visitenkarten geführt werden,
- es mehrere verschiedene Auftraggeber gibt,
- weitere (externe) Mitarbeiter mit Aufträgen versorgt werden,
- die Person die Preise, den Arbeitsort und Urlaub frei wählen kann,
- konkrete Projekte abgearbeitet werden (nicht pauschal auf Stundenbasis),
- auch Aufträge abgelehnt werden können und/oder
- aktiv Werbung gemacht wird.
Umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung der betreffenden Person anzunehmen, wenn (keine abschließende Aufzählung)
- eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation vorliegt,
- eine Verpflichtung besteht, Aufträge anzunehmen bzw. kein Recht besteht, Aufträge abzulehnen,
- kein eigenes Betriebskapital eingesetzt wird,
- kein Unternehmerrisiko besteht,
- keine Entscheidungsfreiheit über die Zahlweise von Kunden besteht,
- kein Entscheidungsspielraum bezüglich der Preiskalkulation besteht,
- die beauftragte Person die Leistung nur höchstpersönlich erbringen kann,
- eine Dokumentations-, Berichtspflicht besteht,
- nicht aktiv Werbung betrieben wird,
- ein festes Gehalt ohne Umsatzbeteiligung bezogen wird und/oder
- Urlaubs- und Lohnfortzahlungsansprüche bestehen.
FAZIT
Auch wenn Ärzte in ihrer medizinischen Tätigkeit nicht weisungsgebunden sind, so werden sie doch sozialversicherungsrechtlich als abhängig beschäftigt angesehen, wenn sie keinen Freiraum haben, ihre Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit selbst zu bestimmen. Ob der Arzt in die Infrastruktur des Auftraggebers eingebunden ist, hängt davon ab, ob die fremde Ausstattung genutzt wird oder der Arzt eigene Betriebsmittel mitbringt. Auch wenn die Frage der abhängigen Beschäftigung/Selbstständigkeit eines Arztes vom Einzelfall abhängt, so geben die Gerichte durch die Vielzahl der ergangenen Urteile mittlerweile recht klare Vorgaben zur Beurteilung.